Zaubershow in historischen Theatern
Robert-Houdin und Johann Hofzinser repräsentieren zwei völlig unterschiedliche, aber gleichermaßen revolutionäre Strömungen in der Zauberkunst des 19. Jahrhunderts. Robert-Houdin schuf das feste Theater für die Bühnenmagie, während Hofzinser die Kartenkunst zur Salonkunst erhob. Hier ist ein detaillierter Blick auf das Theater von Robert-Houdin und die Arbeitsweise Hofzinsers in Bezug auf feste Spielstätten:
Der Tempel der Illusion: Das Théâtre Robert-Houdin
Das Théâtre des Soirées Fantastiques von Jean Eugène Robert-Houdin (eröffnet 1845 in Paris, ursprünglich in den Räumlichkeiten des Palais Royal, später am Boulevard des Italiens) war mehr als nur eine Bühne; es war eine Erklärung der Unabhängigkeit für die Zauberkunst.
Konzeption und Bedeutung
- Absage an den Jahrmarkt: Robert-Houdin wollte die Zaubershows vom Gepränge und der groben Art der reisenden Gaukler befreien. Er schuf einen eleganten, intimen Raum, der eher an einen Salon des Bürgertums als an eine Zirkusbühne erinnerte.
- Der Gentleman-Magier: Der Stil des Theaters spiegelte seinen eigenen Auftritt wider: seriös, elegant und wissenschaftlich inspiriert. Der Zauberer war kein mysteriöser Quacksalber, sondern ein kultivierter, technisch versierter Künstler.
- Feste Infrastruktur: Das Theater war speziell für die dort stattfindenden Illusionen konzipiert und mit komplexen, fest installierten Mechanismen ausgestattet. Die Bühne selbst war ein Apparat. Dies war entscheidend, da es die Vorführung von komplizierten Effekten wie der "Ätherischen Suspension" (das Schweben einer Person) oder der "Wunderbaren Orange" erlaubte, die zeitaufwendigen Vorbereitungen benötigten.
Der Spielbetrieb
- Programm: Die Shows waren typischerweise abendfüllend, unterteilt in verschiedene Akte. Sie folgten oft einer Dramaturgie, die die Magie mit technischen Wundern verband.
- Erbe und Langlebigkeit: Das Theater hatte eine bemerkenswerte Langlebigkeit. Robert Houdin verkaufte es 1852, aber es wurde unter verschiedenen Direktoren weitergeführt. Der berühmteste Nachfolger war der Filmpionier Georges Méliès (ab 1888), der die Magie und die damals neue Technik der filmischen Illusion miteinander verband, bis das Theater 1923 schließen musste.
Robert-Houdins Einfluss auf die Bühnenmagie
Das Théâtre Robert-Houdin schuf den Prototyp für die Bühnenmagie als festes Genre und bewies, dass die Zauberkunst kulturell etabliert und finanziell erfolgreich sein konnte, ohne auf die Wanderbühne angewiesen zu sein. Es lieferte die Blaupause für alle nachfolgenden, festen Theater des 19. und 20. Jahrhunderts.
Die Salonkunst des Intimen: Johann Hofzinser
Johann Nepomuk Hofzinser (Wien, 19. Jahrhundert) war zwar kein Theatergründer im Sinne eines festen, kommerziellen Hauses, aber sein Wirken ist für die Entwicklung der intimen Zauberkunst ebenso revolutionär wie das von Robert-Houdin für die Bühne.
Hofzinser und der "Salon"
- Das feste Setting: Hofzinser war ein reicher Beamter und Amateurmagier, der sich weigerte, auf öffentlichen Bühnen aufzutreten. Stattdessen veranstaltete er von 1858 bis 1864 in seinem eigenen Salon in Wien (im Schottenhof) exklusive, private Vorstellungen für einen elitären Kreis von 30 bis 40 Gästen.
- Die "Feste Spielstätte" der Upper Class: Dieser Salon wurde zur de facto festen Spielstätte für seine Kunst. Er schuf einen Rahmen, der noch intimer und persönlicher war als Robert-Houdins Theater. Dies war die Geburtsstunde der "Salonmagie" und eine Blaupause für moderne, intime Close-up-Theater.
Hofzinser und die Kartenkunst
- Fokus auf das Wunder: Hofzinser revolutionierte die Kartenkunst. Er perfektionierte Techniken, die ihm erlaubten, Kartenwunder direkt vor den Augen des Publikums geschehen zu lassen, ohne dass die Fingerfertigkeit im Vordergrund stand. Seine Kunststücke waren oft poetisch und rätselhaft.
- Die Magie der Idee: Im Gegensatz zur geräuschvollen Illusionsmagie seiner Zeit setzte Hofzinser auf subtile psychologische Täuschung und bahnbrechende technische Prinzipien der Kartenkunst, die noch heute die Grundlage vieler moderner Kartentricks bilden.
- Das persönliche Erlebnis: Die Nähe zu seinem Publikum war essenziell. Jedes Kunststück konnte beobachtet werden, jedes Detail war sichtbar. Die Magie geschah als Dialog zwischen Künstler und Zuschauer, was die heutige Mikromagie zutiefst beeinflusst hat.
Hofzinsers Einfluss auf die Mikromagie
Obwohl Hofzinser kein öffentliches Theater gründete, schuf er das Konzept der intimen, festen Zauberdarbietung in einem geschlossenen Raum. Seine Philosophie der Kartenkunst und der direkten Interaktion legte den Grundstein für die heutige, boomende Sparte der Mikromagie, die in kleinen, festen Theatern oder Lounges (wie den modernen deutschen Beispielen) zelebriert wird.